Öffnet eine externe Seite Link zur Startseite

Bundesamt für Naturschutz

Coleanthus subtilis - Scheidenblütgras

Geschützt nach
Anhang II FFH-Richtlinie
Anhang IV FFH-Richtlinie
EU-Code
1887
Artengruppierung
Farn- und Blütenpflanzen
Synonyme
Schmidtia subtilis, Schmidtia utriculata, Schmidtia utriculosa
Status Rote Liste Deutschland
(Metzing et al. 2018): V (Vorwarnliste)
Status Rote Liste Europa
(Bilz et al. 2011): LC (Nicht gefährdet)
Verantwortlichkeit
(Metzing et al. 2018): In besonders hohem Maße verantwortlich

Beschreibung

Das Phantom am Uferrand

Das Scheidenblütgras gehört zu den kleinsten heimischen Gräsern und ist in ganz Eurasien vereinzelt zu finden. Deutsche Vorkommen sind aktuell nur aus dem Elbtal und dem Erzgebirge bekannt. Hier ist das Scheidenblütgras in Überschwemmungsbereichen von Flusstälern und periodisch trockenfallenden Teichen zu finden. Das regelmäßige Trockenfallen der Standorte ist essentiell für die Entwicklung des Süßgrases. Sind die Wuchsbedingungen nicht ideal, so tritt das Scheidenblütgras oberirdisch nicht in Erscheinung, sondern überdauert längere Zeit als Same im Boden. Eine Veränderung des Wasserregimes der Flüsse und eine veränderte Bewirtschaftung der Teiche wirken sich sehr negativ auf die Art aus.

Lebensraum

Typische Standorte des Scheidenblütgrases sind kalkarme, mäßig saure, gut durchnässte Schlammböden im Überschwemmungsbereich von Flusstälern. Auch in periodisch trockenfallenden Teichen oder an Schlammufern abgelassener Stauseen kann man das einjährige Süßgras zusammen mit weiteren kurzlebigen Arten wie Schlammling (Limosella aquatica), Ei-Sumpfbinse (Eleocharis ovata), Sumpf-Ruhrkraut (Gnaphalium uliginosum) oder Strandling (Littorella uniflora) finden. Man bezeichnet diese Pflanzengemeinschaft auch als Zwergbinsen- und Strandlings-Gesellschaft. Die oberen Bodenschichten der Wuchsorte zeichnen sich durch eine hohe Feuchtigkeit aus, wobei allerdings eine Überflutung gerade von Jungpflanzen nicht ertragen werden kann (Hauke 2003).

Fortpflanzung/Biologie

Ökologie der Art

Das Scheidenblütgras gehört mit einer Höhe von nur einem bis maximal 15 cm zu den kleinsten Gräsern der mitteleuropäischen Flora (Kriechbaum & Koch 2001). Es besiedelt periodisch trockenfallende, dennoch im Wurzelbereich immer wassergesättigte, saure, nährstoffarme und sandig-schlammige Böden. Es wächst in kurzlebigen, lückigen Zwergbinsen-Gesellschaften im Uferbereich von nährstoffarmen bis mäßig nährstoffreichen Gewässern, im Schlamm trocken gelegter Teiche, an Bach- und Flussufern und Altwasserrändern. Es gilt als sehr selten und unbeständig, da es sobald der Boden überflutet wird, wieder verschwindet und für längere Zeit verschwunden bleiben kann (Rozhevits & Shishkin 1985). Die Samen können lange in überfluteten Böden überdauern, ohne ihre Keimfähigkeit zu verlieren, nach älteren Angaben bis zu 20 Jahre und mehr (Hejný 1969). Dank dieser langlebigen Samenbank kann selbst nach mehreren Jahren ohne Nachweis nicht auf das Erlöschen des Bestandes geschlossen werden (Bensettiti et al. 2002).

Beschreibung des Lebenszyklus im Zusammenhang mit Landnutzungsaktivitäten

Der Lebenszyklus des Scheidenblütgrases ist extrem kurz und bereits nach 6 bis 7 Wochen abgeschlossen. In einem Sommer können daher teilweise sogar zwei Generationen auflaufen (Kriechbaum & Koch 2001). Dabei ist die Entwicklung des Scheidenblütgrases eng an die periodischen Wasserstandsschwankungen seines Lebensraumes gekoppelt. Fallen die Standorte trocken, keimen die Samen und wachsen schnell zu Jungpflanzen heran. Je länger die Landphase andauert, desto größer werden die Pflanzen und desto höher ist auch die Samenproduktion. Das Scheidenblütgras profitiert daher besonders von traditioneller Weiherwirtschaft und einer gelegentlichen Sömmerung der Weiher. Eine frühzeitige Überflutung der Standorte überleben die Pflanzen nicht. Die Blütezeit erstreckt sich in Deutschland meist von August bis Oktober (Hauke 2003). Es werden zahlreiche Samen ausgebildet, die lange im Boden überdauern können. Die Ausbreitung der Samen kann über Sumpf- und Wasservögel erfolgen, die die Samen mit dem an den Füßen haftenden Schlamm transportieren (Kriechbaum & Koch 2001). Nach der Blüte und Samenreifung sterben die Pflanzen ab. Bei guten Bedingungen kann die Art auch im Herbst keimen und den Winter überdauern.

Eine Besonderheit des Scheidenblütgrases sind die starken Schwankungen der Bestandsgröße. Auf ein Massenauftreten der Art kann ein mehrjähriges Ausbleiben folgen. Schlechte Keimbedingungen in den oberen Bodenschichten werden hierfür als Ursache vermutet.

Lokale Population

Abgrenzung der lokalen Population

Das zerstreute Vorkommen der Art scheint einen Genaustausch zwischen einzelnen Beständen des Scheidenblütgrases stark einzuschränken. Eine lokale Population kann nach Experteneinschätzung somit durch einen einzelnen besiedelten Weiher bzw. einen Abschnitt des Flusssystems abgegrenzt werden.

Gefährdung

Das Scheidenblütgras ist hauptsächlich durch seine Seltenheit und Sensibilität gegenüber Lebensraumveränderungen gefährdet. Hierunter fallen vor allem Nutzungsänderungen und Veränderungen des hydrologischen Regimes, insbesondere zu langes Trockenfallen und Überfluten. Gefährdet ist die Art auch durch Nährstoffanreicherung und das Verschwinden von Standorten ohne Pflanzenbewuchs, die notwendig für das Überleben dieser sehr konkurrenzschwachen Art sind.

Fischereiwirtschaft

  • Winterung oder permanenter Aufstau der Weiher führt langfristig zum Aussterben der Art
  • Kalkung von Weihern könnte sich negativ auswirken, denn Coleanthus subtilis ist ein Säurezeiger (Reaktionszahl 3)
  • Vermeidung von Nährstoffanreicherung und damit verbundene zu hohe Ablagerungen von Bodenmaterialien

Sonstige

  • Wasserbauliche Maßnahmen (Flussuferverbau durch Buhnen, Staumaßnahmen) an Fließgewässern führen zum Erlöschen der Populationen, da sie das hydrologische Regime verändern (Verlust natürlicher Wasserstandsschwankungen mit extremem Niedrigwasser und Trockenfallen der Flussuferbänke)

Erhaltungsmaßnahmen

Handlungsempfehlungen zur Erhaltung der lokalen Population des Scheidenblütgrases

Nutzungsbedingte Beeinträchtigungen des Scheidenblütgrases gehen vor allem von der Fischereiwirtschaft aus. Um Beeinträchtigungen durch die Bewirtschaftung zu verhindern, wird die Erhaltung geeigneter Standortverhältnisse mit temporären Überflutungen empfohlen.

Fischereiwirtschaft

  • Fortführung oder Wiederherstellung der traditionellen Teichwirtschaft mit gelegentlicher Sömmerung
  • Falls notwendig, sind gelegentliche Entschlammungsmaßnahmen zur Vermeidung der Verlandung der Weiher durchzuführen
  • Bei Entschlammungsmaßnahmen ist Vorsicht geboten, da ein Großteil der Samen in tiefen Schlammschichten überleben kann

Sonstige Maßnahmen

  • Rückbau wasserbaulicher Maßnahmen im Bereich der Elbe, insbesondere Schaffung natürlicher Flussufer
  • Rückbau von flussnahen Deichen in Bereichen, in denen Retentionsräume bestehen
  • An bestehenden Vorkommen Aufwuchs zu Röhrichten und Weidengebüschen vermeiden (alternativ natürliche Flussdynamik zulassen)
  • Neuansiedlung an potenziell geeigneten Standorten und Erhaltung der Art in Erhaltungskultur und Genbank (da limitiertes Vorkommen der Art)
  • Kontinuierliche und jährliche Überwachung der Vorkommen
  • Periodische Überflutungen sichern
  • Wässerung sollte erst nach 50 Tagen beginnen (Scheidenblütgras benötigt 45 Tage bis zur Samenproduktion und 50 Tage bis zur Ausbreitung durch Wind, Wasser und Vögel)

Erhaltungszustand

  • Kontinentale Region: ungünstig - unzureichend

Programme und Projekte

Finanzierungsinstrumente für Maßnahmen und Umsetzung von Managementplänen

  • Internetseite des BfN zu Finanzierungsoptionen von Maßnahmen im Rahmen der FFH- und Vogelschutzrichtlinie.
  • Internetseite der Europäischen Union zur Förderung des Umwelt- und Naturschutzes und von entsprechenden Projekten.
  • Förderwegweiser des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) und Kulturlandschaftsprogramm (KULAP)
  • Förderwegweiser von Agrarumweltmaßnahmen (AUM) des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV): Vertragsnaturschutzprogramm (VNP/EA).

Projekte im Internet

  • Die Bergwerksteiche der Revierwasserlaufanstalt Freiberg als Lebensraum einer einzigartigen Teichbodenvegetation – Gebietshistorie und Vegetationsökologie als Basis für nachhaltigen Naturschutz (GehVege)

Autor*in

Kontaktinformationen für weitere Auskünfte und Hilfestellungen

Für weitere Hinweise zur Art und Hilfestellungen für die Bewirtschaftung der Lebensräume wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige Naturschutzbehörde in Ihrer Region.

Experten

Prof. Dr. Karl-Georg Bernhardt
Universität für Bodenkultur Wien
Gregor-Mendel-Str. 33
1180 Wien

Autoren

Steffen Heelemann, Christina Meindl, Peter Poschlod

Unter Mitarbeit von

Karl-Georg Bernhardt, Wolfgang von Brackel

Zurück nach oben