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Scheidender Museumsdirektor in Italien "Wir Ausländer sind nicht mehr erwünscht"

Um seine Museen ins 21. Jahrhundert zu führen, holte Italien Direktoren aus dem Ausland. Nun sollen viele von ihnen wieder gehen. Hier spricht Mantuas Herzogspalast-Chef Peter Assmann über den neuen rauen Ton.
Herzogspalast in Mantua

Herzogspalast in Mantua

Foto: Max Cavallare/ imago images/ UIG
Zur Person
Foto: imago images/ ZUMA Press

Peter Assmann, 55, ist ein österreichischer Kunsthistoriker. Er war Direktor der Oberösterreichischen Landesmuseen und des Museums Angerlehner, bevor er 2015 zum Leiter des Museums im Palazzo Ducale im lombardischen Mantua ernannt wurde. Am 1.11.2019 wird er die Tiroler Landesmuseen als Geschäftsführer übernehmen.

SPIEGEL ONLINE: Herr Assmann, Sie gehören als Österreicher zu den ausländischen Museumsdirektoren, die Italien von sich aus verlassen oder gehen müssen. Sie wechseln vom Chefposten des Herzogspalastes in Mantua zu den Tiroler Landesmuseen in Innsbruck. Warum?

Peter Assmann: Ich habe früh meine Antennen draußen gehabt. Man hört die Signale und die Botschaften. Italien hat einen unglaublich egoistischen Blick auf die eigene Gemeinschaft entwickelt. Für die Wirtschaftskrise und das fehlende Geld sind die EU und ganz besonders die 'böse Merkel' verantwortlich. Irgendwann konnte ich das nicht mehr mit einem Lächeln und dem Satz "So sind sie halt, die Italiener" kommentieren. Als das tolle Angebot aus Innsbruck kam, habe ich zugegriffen.

SPIEGEL ONLINE: Sie bescheinigen Italien einen enormen und stetig wachsenden Nationalismus. Woran machen Sie das fest?

Assmann: Es gibt ganz klare hegemonistische Äußerungen zu allem, was das Land betrifft. Auf einmal heißt es überall "Italia nostra", "Unser Italien". Ich sehe Parallelen zur Machtergreifung der Faschisten vor dem Zweiten Weltkrieg. Salvini posiert und redet wie Mussolini. Das ist alles eindeutig durchinszeniert. Seine Botschaft lautet "Prima l'Italia", also "Italy first". Ich erlebe eine Zentralisierung der Politik, wie wir sie aus diktatorisch oder autokratisch regierten Staaten kennen. Ich war 1987 für einen Monat in der DDR und fühle mich stark daran erinnert.

SPIEGEL ONLINE: Die Reform von 2015 hatte zum Ziel, die italienische Museumslandschaft endlich ins 21. Jahrhundert zu führen. Deshalb waren zahlreiche der Direktorenposten der 20 größten Museen des Landes an Ausländer vergeben worden. Was wird nun?

Assmann: Die Reform wird komplett zurückgedreht. Das erste Treffen mit Kulturminister Alberto Bonisoli von der 5-Sterne-Partei bestätigte meine Vorahnung. Alles, was an regionaler Freiraumentscheidung aufgebaut worden ist, wird wieder zunichtegemacht. Die Regierung in Rom will alles in der Hand behalten. 64 Bürgermeister oder Gemeinden der Provinz Mantua haben einen Brief an die Regierung geschrieben: Der Assmann macht einen guten Job, er soll bleiben. Das hat Bonisoli nicht interessiert. Die Töne gegen uns Ausländer sind immer rauer geworden. Wir sind nicht mehr erwünscht.

Kulturminister Alberto Bonisoli

Kulturminister Alberto Bonisoli

Foto: Andrea Ronchini/ imago images/ ZUMA Press

SPIEGEL ONLINE: Der Vertrag von Gabriel Zuchtriegel, dem deutschen Direktor der antiken Stätten in Paestum südlich von Neapel, ist doch verlängert worden.

Assmann: Die Gründe dafür kenne ich nicht. Aber die kicken die Ausländer auch nicht mit einem Schlag raus, sondern schleichend.

SPIEGEL ONLINE: Die 20 Stellen sind allerdings allesamt wieder international ausgeschrieben worden.

Assmann: Das ist reine Show. Es wird kein Ausländer genommen werden. Das wissen alle in der europäischen Museumslandschaft. Ausländische Bewerbungen sind deshalb sehr gering. Und bei den bisherigen Entscheidungen ist auch kein Ausländer zum Zuge gekommen, die Posten erhielten Italiener. Auch die Stelle von Cecilie Hollberg, der deutschen Leiterin der Galleria dell'Accademia in Florenz, die den David beherbergt, hätte ganz sicher ein Italiener übernommen.

SPIEGEL ONLINE: Steht denn schon fest, dass Frau Hollberg gehen muss?

Assmann: Ihr wurde in einem Brief mitgeteilt, dass ihr Arbeitsvertrag mit dem 22. August endet. Gerade sie hat herausragende Arbeit geleistet. Die Accademia wird den Uffizien eingegliedert, was historisch keinen Sinn ergibt. Die Stelle wird nicht nachbesetzt.

SPIEGEL ONLINE: Wie hat sich die Situation Ihrer Meinung nach entwickelt?

Assmann: 2015 hatten sich irgendwo zwischen 1200 und 1600 Leute um die 20 Posten beworben. Schon damals gab es wilde Proteste. Irgendwie hat unsere Arbeit überzeugt. Die Besucherzahlen stiegen rasant, auch in Mantua. 2016, meinem ersten Jahr in Mantua, zählten wir mehr als 360.000 Besucher. 2015 waren es 240.000.

SPIEGEL ONLINE: Und das interessiert nicht mehr?

Assmann: Die grundsätzliche Skepsis gegenüber den fremden Eindringlingen ist nie gewichen und kommt nun klar zum Vorschein. Man will uns eindeutig loswerden. Mir wurde klar: Ich kann die Arbeit nicht so fortsetzen, wie ich es für richtig halte. Man hat mir Knüppel zwischen die Füße geworfen.

SPIEGEL ONLINE: Können Sie ein Beispiel nennen?

Assmann: Im Oktober eröffnet in Mantua eine Ausstellung mit Werken des Malers und Architekten Giulio Romano, einem der wichtigsten Manieristen der italienischen Renaissance. In Rom zugesagtes Geld dafür wurde uns wieder gestrichen. Ich konnte die Schau nur mittels Sponsoren und anderen Partnern finanzieren.

SPIEGEL ONLINE: Das könnte Ihnen durchaus auch in Deutschland oder Österreich passieren.

Assmann: Dann ein anderes Beispiel. Eine in Mantua ansässige Organisation für zeitgenössische Kunst, mit der ich viel zusammengearbeitet habe, hatte mir den österreichischen Maler und Aktionskünstler Hermann Nitsch für eine Ausstellung vorgeschlagen. Ich wusste sofort: Schöne Idee, aber das wird schwierig. Doch was passierte, hat meine Vorstellungskraft gesprengt. Nitsch schlug der pure Hass entgegen. Ich bin als Landsknecht im Mantuanischen Erbfolgekrieg dargestellt worden, der mit einem anderen Ausländer die Kunst der Stadt zerstört.

SPIEGEL ONLINE: Was war Ihnen vorgeworfen worden?

Assmann: Dass ich nicht weiß, was italienische Kunst ist. Es hieß: Der eine hässliche Österreicher hole den anderen hässlichen Österreicher in den Palazzo Ducale. Besonders übel: Die Polemiken kamen nicht von den üblichen Verdächtigen, sondern aus dem staatlichen Kulturbetrieb.

SPIEGEL ONLINE: Sind Sie auf offener Straße angefeindet worden?

Assmann: Nein, im Gegenteil. Von vielen Leute bekam ich Zustimmung. Daran konnte ich den Bruch zwischen den Menschen vor Ort und der Politik in Rom deutlich ablesen.

SPIEGEL ONLINE: Was folgt aus all dem Ihrer Ansicht nach?

Assmann: Italien hat über Jahrzehnte hinweg jede Menge EU-Fördermittel erhalten und das gemeinsame europäische Erbe beschworen. Nun sind nur noch nationale Töne zu hören. Das geht die gesamte Kulturgemeinschaft des Kontinents etwas an. Schließlich liegt in Italien zu einem beachtlichen Teil die Wiege kultureller Verständigung.